Saša Stanišić gewinnt Deutschen Buchpreis

Vor kurzem war der deutsche Erfolgsautor noch zu Gast in der Klosterschule

Heute, am 14. Oktober 2019, wurde der mit 14 Jahrenn aus Bosnien-Herzegowina geflüchtete Schriftsteller Saša Stanišić mit seinem aktuellen Roman „Herkunft“ in Frankfurt mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet. Saša Stanišić war erst im März zu Gast in der Klosterschule, wo er für Auszüge aus seinem Roman „Vor dem Fest“ las und die Fragen von Oberstufenschüler/innen der Klosterschule beantwortete. Sein Werk ist derzeit Thema im Deutsch-Abitur und wurde auch schon ausgezeichnet, nämlich 2014 mit dem Leipziger Buchpreis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet. Das Buch thematisiert den Verlust von Heimat und die Angst vor der Ankunft in Deutschland.

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Mattes Jansen, Daniel Köhler (Fotos)


Hier ein Auszug aus dem Gespräch mit Saša Stanišić in der Klosterschule:

Zu ihrem aktuellen Buch „Herkunft“ sieht man in Hamburg überall Plakate, wie ist das für Sie?

Stanišić:  Ja, da ist total schrecklich. Das sind total große Plakate. Meine Eltern sind gerade zu Besuch und meine Mutter läuft durch die ganze Stadt – wie bei einer Schnitzeljagd – und guckt, wo überall mein Plakat ist. „Mama, nein, das ist peinlich! Du gehst durch die Stadt und fotografierst dich vor meinem Plakat!“ Am Sternschanze-Bahnhof sieht man seine eigene Fresse da, das ist so unangenehm, ist schön, aber auch unangenehm.

Was war Ihre Motivation, mit dem Schreiben anzufangen? 

Stanišić:  Ich hab schon in der Schule in Jugoslawien kleine Geschichten geschrieben. Ich hab mit 13/14 so eine Art ersten Roman geschrieben. Mein Vater hatte von der Arbeit alte leere Terminkalender mitgebracht, die hab ich hab ich vollgeschrieben. Das war ein kleiner Schulroman, wo jemand, der Sasa heißt, der beste Fußballspieler der Schule ist und durch das entscheidende Tor in einem Spiel das Herz von Natascha, dem schönsten Mädchen der Schule, erobert. Gar nicht biografisch! Totaler Wunschtraum. 

Kann man mit dem Schreiben von Büchern Geld verdienen?

Stanišić: Das ist eine Frage, die sich alle jungen Menschen stellen … kann man davon leben? Ich hab viel darauf gesetzt, ein Studium der Germanistik abgeschlossen gehabt, und währenddessen und danach auch immer wieder geschrieben und meine Texte auch an Verlage geschickt, an Zeitschriften geschickt, bis irgendwann jemand angebissen hat und gesagt hat „das ist ganz gut, das veröffentlichen wir jetzt mal“. Dafür gab es damals so 150 Mark oder so. Mich hat das Schreiben aber Monate meines Lebens gekostet. Da war ich ein bisschen entmutigt. Dann fand ich heraus, dass es in Leipzig eine Schule gibt, wie eine Kunsthochschule, aber nicht für Bildende Kunst sondern für Literatur. Dort habe ich mich beworben, wurde angenommen und hab dort angefangen, an meinem richtigen ersten Roman ernsthafter weise zu schreiben. Irgendwann hatte ich auch einen Verlag, hatte einen ersten Vorschuss und nach und nach haben sich die Bücher ganz gut verkauft. Eins davon ist Abi-Thema in Hamburg (lacht) und daher finanziell sehr lohnenswert. Ich hatte großes Glück, viele Kollegen haben das Glück nicht. Aber jetzt mache ich wirklich das, was ich immer schon gemacht habe und was ich wirklich sehr gerne mache. 

Das ist schön. Was würden Sie denn jetzt Leuten raten, die jetzt den Entschluss gefasst haben, Autor zu werden. Gerade auch Jugendliche, was würden Sie denen mitgeben? 

Stanišić:  Der Versuch eines großen Themas! Ich glaube, in jedem von uns schlummert diese EINE Geschichte. Die eine erste große Geschichte. Das kann etwas sein, das man selber erlebt hat, das kann aber auch etwas sein, was man sich ausgedacht hat. Ich unterrichte auch kreatives Schreiben und rate immer, dass man dieses eine Thema findet. Dass man sich ausprobiert, täglich auch schreibt wenn man Zeit findet, bis wann weiß „das ist es, darüber MUSS ich jetzt wirklich erzählen, das beschäftigt mich so sehr“. Etwas, dass man schreibt, weil man es muss. Wenn man das eine Thema gefunden hat, ist der nächste Schritt die Form zu finden: WIE erzähle ich es. Der nächste Schritt wäre dann ein Verlag oder eine Zeitschrift oder wie auch immer. Aber erstmal muss Klarheit über das, was man erzählen möchte, sein. Ich merke in Arbeiten von Schülern und Studenten oft, dass sie gerne schreiben, aber nicht wissen, worüber sie schreiben möchten. Dann geh nochmal zurück und frag dich „was ist es wirklich, was mich interessiert?“. Das kann auch etwas Traumatisches ein oder etwas total Schönes.  Es gibt in jedem Leben etwas, was richtig, richtig wichtig ist und darüber lohnt es sich, zu schreiben. 

Stanišić in der Aula der Klosterschule

Es gibt auch einige negative Kritiken im Internet. Wie würden Sie sich diese erklären? Haben diese Leute einfach nicht verstanden, worum es geht, oder wie würden sie das sagen? 

Stanišić:  Nein, das würde ich so nicht sagen. Ich finde, dass bei diesem Buch die Erfahrungen, die man beim Lesen hat, total unterschiedlich sein  können. Ich verstehe jeden, der sagt „das ist nichts für mich“. Auch vom Inhalt her. Ich selber höre mit so viele Bücher auf, sie zu lesen nach 20/30 Seiten, weil ich sie einfach nicht gut finde. Es ist total legitim zu sagen „ist total scheiße, ist nicht meins“.

„Vor dem Fest“ hat ja auch den „Preis der Leipziger Buchmesse gewonnen. Wie erklären Sie sich den starken Kontrast zwischen dieser Auszeichnung und den schlechten Kritiken? Finden Sie es gerechtfertigt, so einen Preis verliehen zu bekommen? 

Stanišić:  Absolut! (Lacht) – Nein, das ist in der Antwort schon drin. Ich hatte das Glück, auf 5-6 Menschen zu stoßen, die das Buch mochten. Das ist mein Glück gewesen und hat das Buch auch wirklich populär gemacht. Es gibt leider in Deutschland nur zwei große Preise, die die Aufmerksamkeit der Leser schaffen. Das ist einmal in Frankfurt die Frankfurter Buchmesse und der Preis der Leipziger Buchmesse. Ich hatte total Glück, das ich das gewonnen habe. Ich mache aber auch die Erfahrungen, dass das Buch bewegt. Was mir aber wichtig ist, ist dass man versteht, dass es mir tatsächlich um meine Figuren geht. In der Provinz läuft einiges schief. Die Leute haben das Gefühl, dass man nur über sie schreibt, wenn Katastrophen stattfinden. Wenn irgendwo Nazis aufmarschiert sind. Wenn eine Bank überfallen wurde. Immer dann, wenn es etwas schlechtes zu erzählen gibt. Für mich war es ein großes Anliegen, mal zuzuhören. Deswegen versuche ich die Kritiken, die von außen kommen, auszublenden, weil ich das Gefühl habe, ich habe den Menschen vor Ort etwas gegeben was ihnen wirklich wichtig war, nämlich dass jemand mal dahin kommt und sie nicht verurteilt und beurteilt, sondern tatsächlich genuin interessiert ist an ihrer Geschichte. 

Wie finden Sie, dass ihr Werk im Abi verwendet wird – abgesehen von gestiegenen Verkaufszahlen ist es nicht auch ein blödes Gefühl, wenn wahrscheinlich mindestens die Hälfte das Buch nur unfreiwillig liest? 

Stanišić:  Ja, im Grunde müsste man es so machen, dass man drei Themen vorgibt und sich die Schüler eins aussuchen. Das war bei uns schon so, ich kenne das Gefühl. Es gibt aber auch Bundesländer, die gar keinen lebenden Autor dabei haben. Es sollte vielleicht ein Buch dabei sein, das die Schule aussucht und ein Buch von einem lebenden Autor und eins von einem toten Autor, wovon man sich dann eins aussuchen kann. Ich weiß, es ist komisch, dass ihr das lesen müsst, ich weiß das wirklich. Einer der Gründe, warum ich in die Schulen komme, ist, der negativen Haltung etwas entgegen zu setzen. Wenn ihr es schon lesen müsst, will ich euch wenigstens dabei helfen. Aber es ist auch eine Ehre für mich, dass mein Buch für das Abi ausgewählt wurde und ich finde es interessant, wie ihr über die Inhalte denkt und deswegen macht mir das großen Spaß!

Nachgespräch mit Schülerinnenn

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