Polizeigewalt in Hamburg

„Die Polizei hat angefangen mit unnötigen Beleidigungen wie ‚Scheiß linke Zecken‘, dann hat ein Polizist meiner Freundin den Arm gebrochen, woraufhin ich nach seiner Dienstnummer gefragt habe. Er meinte: ‚Verdient!‘ und andere Polizisten haben ihn abgeschirmt damit man seine Dienstnummer nicht sehen konnte. Ich hab gesehen wie unnötig Leute verprügelt wurden aus unerklärlichen Gründen.“, erzählt uns der 17-jährige Max (Name geändert). Doch dies ist leider kein Einzelfall in Deutschland. Pro Jahr gibt es rund 2000 Anzeigen gegen Polizisten, von denen jedoch schließlich nur zwei Prozent zu einer Anklage führen.

Dazu kommt noch, dass laut Forschungsprojekten wie dem zu illegaler Polizeigewalt der Ruhr-Universität Bochum weitere mindestens 10.000 mutmaßliche Gewaltdelikte durch Polizisten gar nicht erst zu angezeigt werden und somit im Dunkelfeld liegen.

Doch wie ist das in einem Rechtsstaat wie Deutschland möglich? Dafür gibt es mehrere Gründe, erklärt uns der Polizeiwissenschaftler Professor Dr. Rafael Behr. Einerseits werden die Ermittlungsverfahren gegen Polizisten von Polizisten selber geführt, wie beispielsweise in Hamburg vom D.I.E., dem Dezernat für interne Ermittlungen. Die Beamten tragen zwar keine Uniform und sind auch außerhalb der anderen Polizeistellen untergebracht, jedoch sind es Polizisten, die teilweise gegen Kollegen aus ihrer Ausbildung ermitteln müssen. Ist die Unabhängigkeit, welche Dirk Arenz, Leiter der Abteilung für Amtsdelinquenz des D.I.E.s, in unserem Interview mehrfach beteuert hat, also nicht vollständig vorhanden? Ja, finden Amnesty International Deutschland und Vertreter der Partei „Die Linke“, und fordern deshalb die Einführung komplett von der Polizei unabhängiger Ermittlungskommissionen, wie es sie bereits in Ländern wie Großbritannien, Dänemark und Portugal gibt. Christiane Schneider von der Hamburger Bürgerschaftsfraktion „Die Linke“ erklärt uns, dass kein Weg daran vorbeiführe, wenn man wieder Gerechtigkeit und ein ausgewogenes Verhältnis einführen will.

Max und seine Freundin haben keine Anzeige gestellt, da sie, wie so viele andere, Angst vor einer Gegenanzeige wegen „Widerstand“ hatten. Dies stellt ein weiteres großes Problem im derzeitigen System dar. Aufgrund dessen oder wegen geringer Erfolgsaussicht werden die meisten mutmaßlichen Gewaltdelikte gar nicht zur Anzeige gebracht. Doch selbst wenn die Opfer Anzeigen stellen, werden die meisten Verfahren eingestellt. „Den Polizisten wird öfters geglaubt und auch die Staatsanwaltschaft neigt dazu die Verfahren einzustellen, weil sie ihr Verhältnis zu der Polizei nicht stören wollen“, erklärt uns Christiane Schneider.

Auch der Gruppendruck innerhalb der Polizei, auch Korpsgeist genannt, beeinflusst die Aufklärung von Straftaten zunehmend. Meldet ein Polizeibeamter unverhältnismäßiges Verhalten eines Kollegen, kann er mit Ausschluss bzw. Mobbing rechnen. „Auch hier würde eine externe Kontrollstation helfen, der Bevölkerung aber auch den Polizeibeamten selber.“ findet Rafael Behr.

Der wohl bekannteste Fall von unaufgeklärter Polizeigewalt ist der von Oury Jalloh, einem Mann aus Sierra Leone, der vor über 14 Jahren in einer Zelle in Dessau verbrannte. Obwohl es neue klare Indizien gibt, dass er angezündet wurde, wird es keinen neuen Prozess geben. Spielen also auch Rassismus und andere Ideologien ein Thema bei der Polizei? „Ich denke, es gibt rassistische Züge in Teilen der Polizei, welche man besser bekämpfen muss und welche nicht gut verarbeitet werden“, erklärt Christiane Schneider.

Nun soll in Hamburg auch noch ein neues Gesetz verabschiedet werden, welches der Polizei noch mehr Befugnisse gegen Bürger geben soll. Beispielsweise sollen „potenziellen Gefährdern“ elektronische Fußfesseln angelegt werden dürfen und unsere Daten sollen mit Algorithmen ausgewertet werden um potenzielle Gefährder zu erkennen. Auch der Begriff „Rasse“, der im Gesetzesentwurf verwendet wurde, lässt viele zweifeln. Doch wieso werden die Rechte der Polizei noch erweitert, wenn es jetzt schon so viele Probleme und Verstöße gegen die Grundrechte der Bürger gibt? Darüber haben wir mit Sören Schuhmacher von der SPD-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft gesprochen: Er sieht das Polizeigesetz als präventiven Schutz der Bürger an und findet auch eine externe Kontrollinstanz nicht zielführend. Laut ihm genüge das vorhandene System, da es „sich nur um eine extrem kleine Minderheit“ von Beamten handelt, die Gewalt ausübe. Er hat uns auch erläutert, dass die Gegenanzeigen aus gutem Grund gestellt würden und die Polizei nicht rechtswidrig handele.

Wir teilen seine Einschätzung nicht, fragen uns wie die derzeitige Situation von der Politik und dem Staat geduldet bzw. ignoriert werden kann und fordern Taten, beispielsweise in Form einer externen Kontrollinstanz.

Ein Beitrag von Annalena Grimm und Kaija Simon; Foto: Screenshot aus https://www.youtube.com/watch?v=Y-Tzj7Lq9yw

1 Kommentar

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2020-01-14 um 09:46

Ist das ein Bericht, eine Reportage oder direkt ein Meinungsstück so eine Notiz am Artikelkopf wäre vielleicht praktisch, damit man auch, wenn man nicht bis zum Ende ließt weiß, dass der Artikel (auch) eine bestimmte Sichtweise und nicht nur Geschehnisse darstellt.

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